Die Märkte und der russische Krieg
Auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine reagierten die Aktienmärkte weltweit mit Kursverlusten. An der Börse Kiew brach der UTX Ukrainian Traded Index um gut 20 Prozent ein. Der größte wirtschaftliche Verlierer ist jedoch Russland selbst. Der russische Index RTS der Moskauer Börse erlebte in der ersten Reaktion einen Crash um fast 40 Prozent. Zeitweilig halbierte sich der Wert der börsennotierten russischen Wirtschaft am ersten Tag des Krieges. An den Devisenmärkten brach der Wechselkurs des russischen Rubels ein. Er fiel auf den tiefsten Stand seiner Geschichte.
Die Warnung russischer Wirtschaftsexperten, ein Angriffskrieg auf die Ukraine würde katastrophale Konsequenzen für die eigene Wirtschaft haben, schlug Machthaber Vladimir Putin in den Wind.
Manche Experten glauben, dass Putins Angriff auf die Ukraine Teil eines Plans zur Herstellung einer neuen alten Ordnung in Europa ist. Die damit einhergehende geopolitische Veränderung wird vermutlich das komplette kommende Jahrzehnt prägen.
Auch wenn es schwerfällt, muss man sich mit den wirtschaftlichen Folgen des Krieges auseinandersetzen. Dabei ergeben sich acht Punkte:
1. Russland als Partner
Die momentane russische Regierung hat sich als Vertragspartner dauerhaft disqualifiziert. Ausländische Investoren sind in Russland dem Willen eines einzigen Mannes ausgesetzt, was keine gute Geschäftsbasis ist. Russland wird international erst nach der Ära Putin wieder als Geschäftspartner in Frage kommen.
2. Exporte nach Russland
Die Ausfuhren westlicher Unternehmen nach Russland sind im Verhältnis betrachtet überschaubar. Aus Deutschland wurden beispielsweise im vergangenen Jahr Waren im Wert von 26,65 Milliarden Euro nach Russland exportiert. Im Verhältnis zum Gesamtwert der deutschen Exporte von 2021 in Höhe von 1.375 Milliarden Euro sind das nur 1,94 Prozent.
Die Aktienbörse reagiert entsprechend differenziert. Aktien von Unternehmen mit größerem Russland-Geschäft verlieren natürlich mehr. Darunter vor allem westeuropäische Banken, die bislang den Handel mit Russland finanziell begleiteten.
3. Rohstoff-Weltmärkte
Russland ist ein großer Exporteur fossiler Energieträger. Dies prägt auch die Handelsbilanz mit Deutschland. Außerdem sind Dünger, Metalle und Kalisalze russische Exportschlager. Die Weltmärkte reagierten bei diesen Rohstoffen mit spürbaren Preissteigerungen. Ob und wie Russland seine Exporte fortsetzen kann, bleibt abzuwarten. Russland könnte seine Ausfuhren als Druckmittel einsetzen, und auch westliche Sanktionen tragen zu Engpässen – und damit zu Preissteigerungen – bei.
4. Chancen vertan
Mit seinen enormen Ressourcen hätte Russland die Chance gehabt, sich zu einer modernen Volkswirtschaft zu entwickeln. Diese Möglichkeit ist nun auf lange Sicht zerstört. Die Gewinne, die die Exporte von Gas, Erdöl und anderer Rohstoffe brachten, sind in die Taschen von Oligarchen und Herrschenden gewandert, statt klug in die Modernisierung der Volkswirtschaft investiert worden zu sein. Fossile Rohstoffe werden in den kommenden Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung und damit an Wert verlieren. Die Chance, den Wandel anzugehen, wurde Russland durch Putins Krieg auf lange Sicht genommen.
5. Das Erdgas-Dilemma
Die Erdgas-Exporte Russlands erfolgten bislang zu einem wesentlichen Teil durch die Ukraine als Transferland. Nord Stream 2 dürfte also ein Kalkül bei der Vorbereitung der Invasion gewesen sein. Mit dem Stopp des Genehmigungsverfahrens zur Inbetriebnahme von Nord Stream 2 demonstriert die deutsche Regierung Entschlossenheit. Allerdings trägt auch das zum Preisanstieg in Deutschland bei. Andere westeuropäischen Länder sind weniger auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen.
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Spürbare Auswirkungen: gestiegene Energiepreise.
6. Die Kornkammer
Die Ukraine konnte ihre enormen Getreideüberschüsse bis jetzt auf dem Weltmarkt anbieten und verkaufen. Ein Wegfall der ukrainischen Getreideexporte gefährdet zwar nicht die Versorgung Westeuropas, welches selbst landwirtschaftliche Überschüsse produziert, dürfte aber zu einem Anstieg der Weltmarkpreise führen. Verbraucher werden das bei den Preisen vieler Lebensmittel spüren.
Problematischer stellt sich die Lage bei Schwellen- und Entwicklungsländern dar, die stark auf Getreideimporte angewiesen sind.
7. Inflation und Stagflation
Der bislang beobachtete Anstieg des allgemeinen Preisniveaus – also die Inflation – wird durch die aktuelle Entwicklung natürlich weiter befeuert. Das Wachstum der Weltwirtschaft, das bis vor Kurzem vom Aufschwung nach dem Pandemie-Einbruch gekennzeichnet war, erhält durch die aktuellen Geschehnisse einen spürbaren Dämpfer. Damit wird die Gefahr einer Stagflation wahrscheinlicher. Das bedeutet, dass die Inflation hoch bleibt, während die Weltwirtschaft selbst stagniert. Einerseits müsste die Inflation durch steigende Zinsen eingedämmt werden, andererseits muss darauf geachtet werden, die Wirtschaft damit nicht noch zusätzlich zu belasten. Eine schwierige Lage für die Notenbanken.
8. Zinsen
Die Kapitalmärkte gingen bis vor Kurzem davon aus, dass die Zinsen angesichts der Inflation weiter steigen müssten. Wenn kriegerische Handlungen aber Engpässe verursachen und somit die preistreibenden Faktoren sind, wird der Zinsanstieg wohl geringer als bisher angenommen ausfallen.
Fazit
Nüchtern betrachtet kann man feststellen, dass die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft begrenzt bleiben werden. Für westliche Investoren bleibt im Vertrauen darauf, dass ein geeinter Westen der Ausbreitung des kriegerischen Treibens Grenzen setzt, die Entwicklung möglichst rational zu betrachten. Kursrückschläge an den Börsen bieten auch jetzt Investitionsgelegenheiten.
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